Wein, Gesang und ein verschwundener Paraglider

Eine Weile saßen sie schweigend am Tisch. Die Sonne schien, der Rose prickelte, der Saft schimmerte golden. Touristen schlenderten an ihnen vorbei und etwas oberhalb mitten in den Weinbergen sah man die Burg Landau.
„Da waren wir schon mal“, sagte Tom und zeigte auf die Bug. „Damals waren wir mit den Motorrädern unterwegs. Weißt du noch?“

Wein und Gesang

Josefine lächelte versonnen. Sie dachte an die Motorradtour vor ein paar Jahren, als sie irgendwo ganz privat bei wildfremden Leuten übernachtet hatten. Tom hatte nach dem Weg gefragt und die beiden hatten ihnen ganz spontan ihr Gästezimmer angeboten und sie zum Abendessen in das Gasthaus eines Campingplatzes geschickt. Da war der Wirt an ihren Tisch gekommen und hatte erklärt: „Ich hab gehört, einer von euch spielt Klavier. Da steht es.“
Tom hatte Josefine angesehen und gegrinst. Josefine hatte sich überrumpelt ans Klavier gesetzt und gespielt, was die Gäste wollten.
Schließlich hatte das ganze Lokal mit ihr Beatles-Songs und Lagerfeuerlieder aus den 70er und 80er Jahren mitgesungen.
Das Glas Wein auf dem Klavier war nie leer geworden und irgendwann hatte Josefine Mühe, die Tasten auseinanderzuhalten. Da war es dann Zeit, das gastliche Haus zu verlassen.
Josefine hatte vom Klavier hochgesehen und fand sich umringt von lauter zufrieden lächelnden Leuten.
Glücklich waren Tom und Josefine irgendwann in ihr Gästezimmer zurückgewankt.
Das gemeinsame Frühstück mit den Gastgebern am nächsten Morgen hatte sich angefühlt wie ein Frühstück zu Hause bei Freunden.
Die Menschen hier in der Gegend waren sympathisch, Josefine und Tom dachten gerne an ihre Moseltour damals zurück.

„Ich glaub, den muss ich gehen“

„Da oben führt der Moselsteig vorbei“, sinnierte Tom und holte Josefine wieder zurück in die Gegenwart. „Ungefähr 380 Kilometer ist er lang“, erinnerte er sich, das damals schon gelesen zu haben. „Ich glaube, den muss ich auch noch mal gehen.“
„Weißt du was?“ Josefine hatte eine Idee. „In zwei Wochen haben wir Urlaub. Wir fahren an die Mosel. Du läufst den Moselsteig und ich bin dein Begleitfahrzeug mit dem Reisemobil im Tal. Ich guck mir hier unten die Welt an, recherchiere ein bisschen und schreibe eine Moselgeschichte. Nach deiner Moselwanderung bist du fit für en GR20 auf Korsika und brauchst dir keine Gedanken mehr übers Training zu machen.“
Tom war begeistert.
Hand in Hand liefen sie schließlich an der Mosel zurück nach Welen, wo ihr Räderhäuschen auf dem Campingplatz auf sie wartete.

Paraglider über den Weinbergen

„Guck mal“, rief Josefine plötzlich. Auf der anderen Moseluferseite schwebte ein Paraglider über den Weinbergen.
Dann war er plötzlich verschwunden.
„Wo ist er denn jetzt abgeblieben?“, wunderte sich Josefine. „Der wird ja wohl nicht in den Weinreben gelandet sein. Da ist doch überhaupt kein Platz! Da spießt der sich ja auf!“
„Guck, da ist ein Sportplatz. Da wird er seinen Drachen hinlenken und runtergehen.“
„Ich seh ihn aber nicht!“
Tom zuckte die Schultern.
„Dann ist er halt woanders.“
Es war ihm egal.