Tom und Josefine allein auf dem Platz
Es goss in Strömen, als Tom und Josefine am nächsten Morgen ihre Sachen packten.
„Wohin?“, fragte Tom, nachdem er das Geschirr vom Vorabend abgewaschen und weggeräumt und alle Dinge, die sonst noch irgendwo herumlagen so verstaut hatte, dass sie unterwegs nicht durchs Reisemobil purzelten.
„Erst mal frühstücken“, fand Josefine.
Das Lokal lag in Bernkastel-Kues direkt an der Mosel. Es gab Croissants mit und ohne Schokolade, Lachs und Eier, Schinken und Käse, Müsli und Obst – kurz ein wunderbares Frühstück. Vor allem an den Backwaren konnte man die Nähe Frankreichs und Belgiens spüren. Die Croissants waren einfach besser als in Reutlingen, wo Tom und Josefine direkt neben dem Bäcker wohnten.
In Frankreich ist das Wetter egal
„Und wohin fahren wir nun?“ Die Frage war noch nicht geklärt.
„Frankreich, entschied Josefine. „Ich möchte nach Frankreich.“ Seit ihrem ersten Urlab mit dem Reisemobil, eine Tour durch Normandie, Bretagne, entlang Frankreichs Atlantikküste und schließlich durchs Landesinnere wieder zurück, war sie ganz vernarrt in Land und Leute.
Und außerdem gab es da 8-Liter-Wasserbehälter mit einem ziemlich praktischen Ausgießer. Die hatten sie zu Hause gesucht und nirgends gefunden.
„Und das Wetter?“, wollte Tom wissen.
„ … ist egal“, fand Josefine. Sie wollte eben nach Frankreich. Das Wetter musste man ohnehin so nehmen wie es kam.
Metz ohne Klo
Die erste Anlaufstelle war Metz.
Vor vielen Jahren war Josefine mal mit der Kieler Journalisten-Clique da gewesen. Damals hatte ihr Metz überhaupt nicht gefallen. Heute wusste sie nicht mehr, ob es ihr nicht gefallen hatte, weil sie sich damals unterwegs von Theo getrennt hatte, oder ob sie sich von ihm getrennt hatte, weil es ihr in Metz nicht gefallen hatte.
Als sie Jahre später mit Tom durch die Stadt gekommen war, fand sie sie mit einem Mal wunderschön.
Der Campingplatz in Metz war geschlossen. Es gab ein paar abgestellte Reise- und Wohnmobile, aber die hatten vermutlich ein eigenes Klo. Josefine und Tom hatten ihr bisher immer noch jungfräuliches Portapotti. Josefine konnte sich einfach nicht vorstellen, hier ihr Geschäft zu verrichten, wenn Tom daneben saß. Es war ihr unangenehm. Sich vor, hinter oder neben den Bus zu setzen war ebenfalls undenkbar. Der Stellplatz war mitten in der Stadt.
Josefine bemühte Wohnmobil-, Camping- und Stellplatz Apps.
Doch es war schwierig. Zu dieser Zeit hatte in diesem Teil Frankreichs fast kein einziger Campingplatz geöffnet. Jedenfalls keiner mit Toilette.
Geöffnet ab 1. April
„Einen hab ich noch. Da steht: geöffnet ab 1. April. Heute ist der 1. April.“
Die Hoffnung stirbt zuletzt..
Der Camping de la Pelouse in Jaulny hatte tatsächlich geöffnet. Und es gab sanitäre Einrichtungen. Nicht sehr luxuriös – die Toiletten ohne Klobrille und Papier, aber es funktionierte. Meistens jedenfalls. Wenn man mal davon absah, dass die Klospülung nur lief, wenn man ihr gut zuredete und dann nur nach mehrmaligem Betätigen des Knopfes wieder aufhörte.
Tom und Josefine waren die einzigen Gäste.
Es war romantisch. Still. Wenn man mal von dem TGV absah, der gelegentlich am Campingplatz vorbeibretterte.
Der Chef kocht
„Was essen wir?“, fragte Tom skeptisch. Es gab dort in der Nähe einfach nichts. Kein Lokal, keinen Supermarkt.
„Die beiden vom Campingplatz wollten uns doch heute Abend etwas kochen.“ Das hatte Josefine jedenfalls verstanden, als sie zugehört hatte, wie Tom und die rau an der Rezeption darüber geredet hatten. „Und für morgen hab ich noch Brot. Übermorgen fahren wir nach Straßbourg. Da wird es sicher etwas geben.“
Zufrieden gingen sie rüber ins Haus. Die Luft war mild und fühlte sich weich an. Überall an den Büschen und Bäumen sprossen die ersten Knospen, Blätter und Blüten. Vögel sangen. An den Hängen standen die Weinreben. Bereit für die neue Saison.
Das Leben war schön.