„Komm wir essen Opa.“

Komm wir essen Opa.“ Der Satz, bei dem ein Komma fehlt, war bei der Bundestagswahl 2013 auf den Plakaten der Piratenpartei ein echter Hingucker. Man sah, stutzte, schmunzelte, der Satz blieb hängen. Dem Opa fehlte ein Komma. Wo, war in diesem Fall existenziell. Zumindest für Opa.\r\n\r\nDen Piraten ging es um Bildung, frei zugänglich für jeden, und damit um Chancengleichheit.

Nicht nur beim Lesen der Posts in den Social Medias, in Foren und Chatrooms stellen sich gelegentlich Zweifel ein: „Wollen die Bürger es auch?“

Auch in Email und auf Firmenwebseiten fragt man sich bei manchen Formulierungen, Sprachstil, Grammatik und Zeichensetzung gelegentlich: „Ist das Kunst oder kann das weg?“

„Frauen handeln schneller, als Männer denken“

Das Angebot an bunten Postkarten, kunstvoll gestaltet, mit Zitaten und Lebensweisheiten ist groß. Die Botschaft, der liebevolle Gruß kommt wohl trotzdem an, auch wenn Kommata entweder inflationär oder gar nicht gesetzt werden.\r\nOft kann man sich bei den fantasievoll gestalteten Karten vorstellen, dass der komplette Verzicht auf Zeichensetzung ein künstlerisches Stilmitte ist. Aber ist es das auch, wenn da steht: „Frauen handeln schneller, als Männer denken“? Und wenn ja – was will der Künstler uns damit sagen?

Und dann sind da noch die vielen schönen Sinnsprüche liebevoll gestaltet von Menschen, die der Welt etwas mitteilen möchten. Wenn auch nicht sehr aufwändig, so doch trotzdem eigens gestaltet, um den Menschen etwas zu sagen war ein Bild auf Facebook, das der Welt mitteilte: „Menschen die andere immer nur beleidigen und auf ihnen rumhacken, tun dieses nur um ihre eigene Unfähigkeit zu verstecken! Sie sind selber so schwach das sie nur dadurch ihre angebliche Stärke zeigen können! Für mich Weicheier!! Lasst uns in Ruhe!!!“ Diese graue Karte bekam von den Facebook-Nutzern 843 „Likes“.

Auf einer wirklich hübschen Karte mit zwei kuscheligen silbergrauen Kätzchen war zu lesen „Es ist so schön jemanden zu kennen, mit dem man vor lauter Spaß, den Ernst des Lebens vergessen kann!“ (983 Likes)

„Gehen wir Brezel?“

Es gehe doch nur darum, zu verstehen, konnte man in einer Diskussion mit Facebook-Nutzern lesen. Hier ging es um die Frage, wie wichtig ihnen Sprache, Grammatik, Rechtschreibung, Zeichensetzung tatsächlich ist.\r\n\r\nSprache ist etwas Lebendiges. Sie lebt, sie verändert sich. Und das soll sie auch.Manche Dinge versteht man auch ohne korrektes Deutsch. Manchmal gibt es Missverständnisse. Es macht einen Unterschied, ob da steht „Hängt ihn, nicht freilassen!“ Oder „Hängt ihn nicht, freilassen!“\r\n\r\nUnd dann gibt es da noch die Geschichte von Fritzchen und dem Lehrer. Warum Fritzchen nachsitzen musste, ist unklar.

Der Lehrer sagte, Fritzchen sei frech.
Der Lehrer, sagte Fritzchen, sei frech.
Wer war denn hier nun frech?

Mein Vater freute sich immer über diesen Satz: „Zehn Finger hab ich an jeder Hand, fünfundzwanzig an Händen und Füßen. Hier bringt vor allem beim Sprechen die richtige Betonung ein bisschen Ordnung in das Durcheinander von Fingern und Zehen. Das Komma an der richtigen Stelle, ob Wörter auseinander oder zusammen geschrieben werden, die Details machen den Unterschied.

„Haare schneiden in Rudi’s Hairshop“

„Mir ist ein achtsamer Umgang mit Sprache, Satzbau, Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung auch wichtig“, sagt eine Deutschlehrerin, die auch Analphabeten unterrichtet. Und genau das macht den Unterschied. Es gebe 7,5 Millionen Analphabeten bei uns, erzählt sie. Manche davon seien sogenannte „funktionelle Analphabeten“, die zwar etwas schreiben und lesen könnten, aber nicht genug, um sich im Alltag zurecht zu finden. „Sollen die komplett ausgeschlossen werden?“ überlegt sie und macht deshalb gerne Zugeständnisse. „Ich kann einfach nicht von meinem Bildungsstandard ausgehen und alle anderen ignorieren.“

Sie wollte ihren Schülern die Bedeutung der korrekten Schreibweise nahe bringen und schrieb an die Tafel: „Gestern hatte ich Besuch von einer Krankenschwester – Gestern hatte ich Besuch von einer kranken Schwester.“ Ihre Schüler fanden das witzig. „Das erkennen wir doch an der Kleidung“, erklärten sie.

Damit wären wir also wieder beim „Opa“ der Piratenpartei. Mehr Bildung für alle. Weil Bildung auch Integration bedeute, sie es dort heißt.

„Googel das mal und lass uns dann simsen.“

Eine andere Facebook-Nutzerin findet es einfach schwierig, Texte ohne Punkt und Komma zu lesen. Klar seien ihr vor allem die Inhalte der Texte, ihre Aussagen wichtig. „Wenn Mimik und Gestik fehlen, Worte und Satzzeichen einfach so hingehauen sind, man auf Rechtschreibung pfeift oder alles klein schreibt, fängt für mich das fröhliche Raten an“, sagt – beziehungsweise schreibt – sie. Dass dann auch leicht Missverständnisse entstehen können, kann man sich gut vorstellen.

Für die fehlende Mimik und Gestik hat die Internetgemeinde inzwischen die Emoticons erfunden. Es ist besser als nichts. Andererseits – Wäre es nicht nett, wenn die Menschen auch wieder andere Möglichkeiten fänden, um auszudrücken, wie sie eine Aussage meinen? Früher hat man dafür Adjektive verwendet, Anführungszeichen vielleicht – oder eben Worte, die das Lesen zwischen den Zeilen ermöglichten.

Natürlich – Sprache ist etwas Lebendiges, sie verändert sich. Manchmal ist weniger mehr. Manchmal aber auch nicht.