Herr Meister und Frau Meisterin – welche Anrede ist hier richtig? Geht Gleichberechtigung vor Höflichkeit in der Anrede? Das Fräulein wurde inzwischen auch behördlich abgeschafft. „Mensch Meier“ ist geschlechtsneutral. Transsexuelle haben eine andere geschlechtliche Selbstwahrnehmung. Man sollte den Unfug konsequent unterlassen. Die Lösung: das „u“ als Utrum.
Herr Meister und Frau Meisterin –
„Ich bin Malermeister“, sagt Anette Stenske-Münzinger. „Bist du nicht“, ist Wiebke Sundergeld, Deutschlehrerin, da anderer Meinung. „Du bist Malermeisterin.“ Anette findet es unsinnig, hier einen Unterschied zu machen. Sie bleibt dabei „Ich bin Malermeister.“ Das sei der offizielle Begriff für ihren Status.
Die einen finden es im Rahmen der Gleichberechtigung wichtig, Männer und Frauen gleichermaßen anzusprechen, für andere ist das nur ein Nebenschauplatz. Das Geschlecht heißt inzwischen politisch korrekter „Gender“ und nicht mehr „Sexus“. Vielleicht, um Missverständnisse zu vermeiden. Doch der sprachlich einwandfreie Umgang mit Sex und Gender wirft eine Menge Fragen auf.
welche Anrede ist hier richtig?
Heißt es nun Kaufmännin oder Kauffrau? Frau Meister oder Frau Meisterin? Ist eine Umkehrung die Lösung, so wie sie die Uni Leipzig seit neuestem praktiziert? Hier wird der männliche Dozent seit einiger Zeit mit „Herr Professorin“ angesprochen. „Mir ist der korrekte Gebrauch der Anrede wichtig“, sagt die Kollegin in der Redaktionskonferenz. Gut. Ich bin ihrer Meinung. Sollte es denn der einen oder anderen Frau so sehr an Selbstbewusstsein fehlen, dass sie sich nicht angesprochen fühlt, wenn ich meine Leser nur als Leser und nicht als Leserinnen anspreche. Vielleicht denkt dann eine eventuell sehr selbstwertlose Frau, sie dürfe meinen Bericht nun nicht lesen.
Geht Gleichberechtigung vor Höflichkeit in der Anrede?
Schreibe ich also künftig „Lieber Leser, liebe Leserin“. Ist das korrekt so? Oder sollte die weibliche Anrede nicht der Höflichkeit wegen an den Anfang gestellt werden? Nein, halt – wir sprechen von Gleichberechtigung. Damit dürfte es doch keine Rolle spielen, ob er oder sie zuerst genannt wird.
Bleibe ich also bei „Lieber Leser, liebe Leserin.“ Doch daraus wird wieder nichts. Denn Mann oder Frau – das ist doch nicht alles, was gendermäßig möglich ist. Nicht einmal in meinem privaten Umfeld. Da gibt es noch den Mann im Haus nebenan bei meinen Schwiegereltern, der sich als Frau fühlt und auch so aussieht. Und dann gibt es den jungen – ja was? Mann? Die junge Frau? Der oder die tatsächlich beides ist, nicht nur körperlich. Und der sich täglich neu entscheidet. Manchmal fühlt er sich mehr als Mann, manchmal fühlt sie sich als Frau.
„Lieber Leser, liebe Leserin, lieber Thomas“ wäre denkbar. Doch alle, die sich nicht in männlich oder weiblich katalogisieren lassen, mit einem einzigen Vornamen zu versehen, wäre vermutlich auch diskriminierend. „Meine sehr verehrten Damen und Herren und andere Geschlechter“ wäre da schon allgemeiner. Es hat irgendwie ein „G’schmäckle“, würde der Schwabe sagen.
Das Fräulein wurde inzwischen auch behördlich abgeschafft.
Philipp Seeger arbeitet in der IT einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Für ihn ist die Briefanrede hier tatsächlich ein Problem. „Wir haben bisher nur die Anreden ‚Frau’ und ‚Herr’ vorgesehen“, postet er in der Facebook-Gruppe „Wortschöpfungen, Neologismen und neue Formulierungen der deutschen Sprache“. Die lang gepflegte Anrede „Fräulein“ wurde inzwischen selbst in den öffentlichen Verwaltungen abgeschafft. Seeger und seine Kollegen denken derzeit darüber nach, hier außer dem biologischen Geschlecht auch abzufragen, welche Anrede gewünscht werde. „Wenn also ein biologischer Mann namens Meier lieber „Frau Meier“ als „Herr Meier“ im Brief angeschrieben werden will – kein Problem! Wenn er lieber als „Mensch Meier“ angeschrieben werden will, weil dies dem individuellen Geschlechtsempfinden entspricht: ebenfalls kein Problem“, schreibt Philipp Seeger.
„Mensch Meier“ ist geschlechtsneutral.
Wobei dann bei der Abfrage des biologischen Geschlechts immer noch nicht geklärt ist, wo ein Transsexueller denn sein Kreuzchen setzen könnte, sollte, würde.
Tobias Deml findet, Seeger mache es sich hier mit seinen Überlegungen zu einfach. Er übersehe hier ein paar grundlegende Dinge.
Als Mann sei es schon eh und je einfach, Frauenprobleme als solche abzuschreiben. „Oh, Frauen sind gesellschaftlich benachteiligt? Dann sollen sich die Frauen drum kümmern, das ist nicht mein Problem. Und ich glaube sowieso dass die übertreiben“, zitiert er oft gehörte Sätze.
Transsexuelle haben eine andere geschlechtliche Selbstwahrnehmung.
Wenn unsere eigene Identität die gesellschaftlich dominante sei (z.B. männlich, heterosexuell, cisgender), dann falle es uns unglaublich leicht, die Missstände von anderen zu ignorieren und als deren Probleme darzustellen. „Jemand der intersexuell ist, mit schwer identifizierbaren Geschlechtsmerkmalen geboren, hat keine Wahl und wird oft als Baby in eines der zwei körperlichen Geschlechter operativ verwandelt“, gibt er zu bedenken. „Jemand der transsexuell ist, hat eine andere geschlechtliche Selbstwahrnehmung als die Genitalien es zeigen“, so Deml. Diese Wahrnehmung sei seines Wissens nach keine Frage der Entscheidung, sondern hormonell bedingt.
Man sollte den Unfug konsequent unterlassen.
Während manche Mitglieder der Gruppe fragen, was denn so schwer daran sei, einfach ein Kästchen mehr anzubieten, so dass niemand gezwungen würde, sich niemand auf ein Geschlecht festzulegen, sind andere der Meinung, den „Unfug“ konsequent zu unterlassen, Leute nach ihrem Geschlecht unterschiedlich zu behandeln. „Es sei denn, es ist biologisch / medizinisch wichtig“.
Mir persönlich gefällt der Vorschlag von Philipp Seeger. Seine Idee ist ein korrektes, sich harmonisch in die Sprache einfügendes „Utrum“ (grammatikalisch gemeinsame Form für Maskulinum und Femininum). Dieses soll dann ausdrücken, dass ein Geschlecht zwar vorhanden, aber für die Aussage uninteressant ist: Das „u“.
Die Lösung: das „u“ als Utrum.
„Liebu Studentun, ich freue mich, dass Sie hier alle versammelt sind. Jedu von Ihnen ist gespannt auf das neue Semester. Wir Professorun freuen uns auf Sie…“
Das wäre fair und alle wären gleichberechtigt. Und Anette wäre dann Malermeistu.