Glucosesensor und Moselwein

Als die Sonne am nächsten Morgen aufgegangen war, sah Josefine, dass sie nur hätten hundert Meter weiter fahren müssen, um den Campingplatz zu finden. Die Schranke wäre zwar so spät abends, als sie am Abend angekommen waren, sicherlich schon geschlossen gewesen, doch die Sanitärräume waren in jedem Fall zu Fuß von überall aus zu erreichen Doch Josefine war auch mit dem Handwerkerklo zufrieden gewesen. Es hatte seine Dienste getan. Aufs Waschen konnte sie notfalls auch verzichten „Campen ist die Möglichkeit, die eigene Verwahrlosung als Erholung zu definieren“ hatte sie erst vor kurzem auf dem Heck eines Wohnmobils gelesen. Das hatte ihr gefallen.
Josefine parkte Minna mitsamt Terrarium kurz hinter dem Bus, um das Fahrzeug fit für die Weiterfahrt zu machen. Das Tier schlief noch. Ihr war es noch zu kalt. Doch das würde sich im Laufe des Tages npoch ändern. Der Wetterbericht hatte wieder einen wunderschönen Sommertag vorausgesagt. Doch das sollte erstmal der letzte sein. Der Mai würde unbeständig beginnen.
Doch diesen Tag wollte sie genießen. Mit Tom und Minna an der Mosel.

Autohändler und französisches Frühstück

„Was hast du denn mit deinem Autohändler ausgemacht?“, wollte Tom wissen, als sie schließlich in einem Straßencafé in Remiche ihr Früchstück aßen. Es gab für jeden Kaffee, Croissant, Butter und Marmelade. Ein durch und durch französisches Frühstück. Der Kaffee war gut. Die Servicekraft bewirtete alle Tische auf der Terrasse alleine und hatte alle Hände voll zu tun.
„`Mein’ Autohändler?“ Josefine zog die Augenbrauchen hoch und lachte. „Ich weiß gar nicht mal so genau, was er tatsächlich macht. Vielleicht hat er ja auch eine Werkstatt.“
Sie überlegte. „Vielleicht hast du aber auch Recht. Vielleicht handelt er auch nur mit gebrauchten Autos. Kfz-Mayer in Stuttgart hat einen Meisterbetrieb. Er kauft alte Autos auf, bringt sie in Schuss und über den TÜV und verkauft sie dann mit Gebrauchtwagen-Garantie. Und weil er sich auf Maiers Empfehlung berufen hatte und genau so eine Seite haben wollte, bin ich davon ausgegangen, er macht das Gleiche.“
Sie zuckte mit den Schultern.
„Ich werde es schon erfahren“, sagte sie dann. „Ich hab versprochen, dass ich ihn anrufe, sobald wir in der Nähe von Piesport sind.“ Einen festen Zeitpunkt hatten sie nicht vereinbart. Sie konnten sich also Zeit lassen.

Sensor am Arm

„Darf ich fragen, was Sie da am Arm haben?“
Die Besitzerin des Campingplatzes sah Josefine neugierig an.
„Am Arm?“ Josefine sah die Frau fragend an.
„Ja, da!“, sagte die dann und zeigte auf Josefines Glukosesensor. Das Ding war für sie so selbstverständlich geworden, dass sie es einfach vergaß.
„Ach das. Das ist ein Glukosesensor“, erklärte sie der Frau. „Der misst alle zehn Minuten den Blutzuckerwert und speichert ihn. Und ich kann dann mit dem dazu gehörenden Scanner oder meinem Handy die Werte auslesen.“
„Ach“, staunte die Frau, die inzwischen hinter ihrem Tresen hervor gekommen war.
„Wissen Sie, ich hab ja auch Zucker. Und mein Bruder und ein Sohn auch. Ich kenn mich damit aus.“ Heißt das, dass sie sich gar nicht mehr in den Finger stechen müssen?“ Sie sah Josefine erwartungsvoll an.
„Ja, so ist das. Das lästige Pieksen kann ich mir damit sparen.“
„Guck mal, Hans“, sagte sie zu ihrem Sohn, der gerade dazu gekommen war.
„Das möchte ich auch.“
Hans sah seine Mutter skeptisch an. „Ich weiß nicht, ob das was für dich ist.“ Er zuckte die Schultern. „Wissen Sie, sie kommt ja schon nicht mal mit dem Handy klar“, verriet er Josefine.
„Ach, mit dem Scanner ist das ganz einfach“, erklärte Josefine. „Warten Sie, ich hol mal den Scanner. Dann zeige ich Ihnen, wie es funktioniert.“
Sie sprintete so schnell es mit ihren hundert Kilo Lebendgewicht eben ging über den Campingplatz zu ihrem Bus und war in wenigen Minuten wieder zurück.
Mutter und Sohn standen abwartend noch auf dem gleichen Fleck wie vorher.
Josefine schaltete den Scanner ein, zog das Gerät über den Sensor und hielt den beiden das Ergebnis hin.
„So einfach ist das?“, staunte die Frau. Dann sah sie Josefine fragend an. „Der Wert heute Nacht war aber auch ein bisschen hoch“, fand sie.
„Nachts ist es oft schwierig, den Wert im Griff zu haben.“ Josefine hatte immer wieder Probleme, den Insulinbedarf einzuschätzen, wenn sie abends auswärts gegessen hatte.
Diesmal hatte sie schon gedacht, es hätte gut gepasst, denn der Blutzuckerwert war bis zum Schlafengehen stabil geblieben. Aber nachts war er dann doch wieder langsam aber stetig gestiegen und sie hatte gegenregulieren müssen.
„Es ist einfach meistens eine Rechnung mit zu vielen Unbekannten“, sagte sie.
„Siehste, Hans, das sag ich ja auch immer“, wandte die Platzinhaberin sich an ihren Sohn. „Und dann hört man ja auch immer, dass Insulin dick macht.“

Rechnung mit vielen Unbekannten

Ob das stimmte? Josefine war sich da nicht sicher. Die einen sagen ja, die anderen schieben die Zunahme auf den größeren Apetit, wenn das Insulin den Zucker senkt. Sie zuckte deshalb die Schultern.
„Es soll die Fettverbrennung verhindern“, gab die Frau weiter, was sie von ihrer Freundin gehört hatte.
Joefine wusste es nicht. Alkohol verhinderte die Fettverbrennung. Das war bekannt. Aber Insulin?
„Ob es das Insulin ist, weiß ich nicht. Aber Stress spielt sicher eine Rolle“, erklärte sie. Unter Stress produziert der Körper Adrenalin und das bremst die Insulinwirkung. Der Körper braucht dann schließlich die Glukose für den Energieumsatz in den Muskeln. Die Natur hat das extra so eingerichtet, damit man im Ernstfall wegrennen oder kämpfen kann.“
„Ach …“ Die Frau staunte noch mehr.
„Sie kommen aus Reutlingen?“, fragte Hans.
„Ja, mein Mann hat vor, den Moselsteig zu laufen“, erzählte Josefine ihm bereitwillig. „Ich begleite ihn mit dem Bus und treffe in Piesport noch einen Kunden.“
„Aha.“ Hans sah aus, als würde ihn das eigentlich nicht wirklich interessieren.

„Wir sind an der Mosel“

„Wir sind an der Mosel“, sagte Josefine zu Tom, als sie schließlich zurück an ihrem VW-Bus war. „Lass uns gucken, ob wir irgendwo einen Wein von hier finden.“
Sie schnappten sich die Räder und fuhren über die Brücke auf die andere Moselseite nach Remiche. Von dort aus ging es an der Mosel entlang bis nach Perl und auf uhland und Len an der Brücke zwischen Deuder anderen Seite wieder zurück. Sie genossen den Rosé einer Domaine Moselle, nahmen noch eine Flasche fürs Abendbrot unter Bäumen auf dem Campingplatz mit. Noch waren sie dort fast unter sich. Der Platz war beinahe leer. Sie genossen es. Minnas Gehege hatten sie ebenfalls unter den Bäumen geparkt, unter denen sie saßen. Hans hatte bei der Anmeldung ein bisschen merkwürdig geguckt, als sie als Haustier eine Schildkröte statt eines Hundes angemeldet hatten, aber nichts weiter gesagt. Er hatte ein Kreuzchen an die passenden Stelle gemacht und „Schildkröte im Terrarium“ daneben geschrieben.
Das Tier bekam etwas Grenzgemüse vom Laden auf der Brücke zwischen Deutschland und Luxembourg. Dann machten wickelten Tom und Josefine sich in ihre Decken, genossen den Wein und sahen der Sonne zu, wie sie über der Mosel unter ging.