Die Küste der Normandie
Nun regnet es doch richtig. Jetzt. Abends um 18 Uhr.
Und jetzt ist es auch schon egal.
Wir haben einen Campingplatz ganz in der Nähe des Strands gefunden, der auch im Oktober noch offen hat. Und er hat ein Schwimmbad. Sollte es also morgen weiter Bindfäden regnen, gehen wir eben schwimmen.
Aber ich glaube nicht, dass es den ganzen Tag regnet. Das hat es in den vergangenen Tagen schließlich auch nicht getan. Tagsüber war es meistens trocken und oft sogar sonnig. Wenn es geregnet hat, dann abends, nachts oder morgens.
Regentropfen auf dem Autodach
Im Bus ist es heimelig, urgemütlich, wenn es draußen nass, dunkel und kalt ist und hier drinnen unser Sonnenglas sein gedämpftes Licht verbreitet. Es ist kuschelig warm, während die Regentropfen auf Autodach und Markise klopfen. Wir haben uns ein Hörbuch vorlesen lassen und ich habe dabei gestrickt. So geht Entspannung.
Heute ist der letzte Tag des Septembers und damit wird es nun sicher auch schwieriger, offene Campingplätze zu finden. Viele schließen am 24. oder 30. September bis zum 1. April. Doch ein paar gibt es noch. Diesen zum Beispiel. Und wenn wir tatsächlich mal nichts finden sollten, haben wir schließlich unser Häuschen dabei und können überall bleiben. Und notfalls würde ich dann vielleicht sogar das Portapotti verwenden. Wir werden sehen. Noch ist es nicht so weit.
Kartoffeln und weiße Kühe
Seit wir von Grand-Fort-Philippe losgefahren sind, sind wir komplett die Küste der Normandie entlang gefahren. Hier gibt es viel Landwirtschaft. Wir sehen Trecker mit Anhängern voller großer Kartoffeln, Maisfelder, gelbe Stoppelfelder und Salzwiesen. Ein fast vertrauter Anblick. Jede Menge Schafe und Kühe. Vor allem die Kühe gefallen mir. Sie sind weiß. Diese Rasse hatte ich vorher noch nie gesehen. Aber es ist ein wunderschönes Bild, wenn diese Herden mit ihren Kälbchen auf ihren Weiden stehen und uns neugierig nachschauen.
Hinter Le Havre reiht sich ein Strandbad ans andere. Auf dem Meer unzählige bunte Segel der Surfer.
Statue für den Weltfrieden
Doch es sind auch eine Menge Bilder, die innehalten lassen, nachdenklich stimmen. 150 000 Alliierte landeten 1944 in der Normandie. 50 000 Deutsche saßen zu weit nördlich und versuchten sich zu verteidigen. An einem Tag gab es damals 12 000 Opfer. 4000 Alliierte, der Rest Deutsche und irische Verbündete. Davon erzählen historische Gedenkstätten, Bunker, Wälle, Tafeln.
Und dann stand da die riesengroße silber glänzende Statue für den Weltfrieden. Inmitten von Palmen, Pinien und an den südländischen Pflanzen direkt am Ortseingang.
„Ich hab das Gefühl, ich wär woanders“
Die Gerüche sind anders. Immer noch liegt der Duft in der Luft, den ich mit der Blume aus einem Comic in Verbindung bringe. Das Marsupilami-Weibchen hat sie hinterm Ohr stecken. Daran erkennt man in dem Comic, dass es ein Weibchen ist. Natürlich hab ich diesen Duft nie wirklich gerochen, aber ich stelle ihn mir genau so vor.
Am Straßenrand stehen Palmen, Pinien, Bananenstauden. Pflanzen, die ich nicht kenne. Martin sagt: „Ich hab das Gefühl, ich wär woanders.“
„Wir sind woanders.“
„Ja, aber woanders woanders.“
Alles hier wirkt südländisch, könnte von der Architektur der kleinen und größeren Ortschaften ebensogut Südfrankreich sein.
„Die Normandie hab ich mir rau und ungemütlich vorgestellt“, erklärt Martin.
Nein, das ist sie nicht.
Der Golfstrom macht den Unterschied.
Savoir vivre.
Ein gutes Gefühl.
Sprache ist nicht alles
Wir brauchen noch Brot und schlendern durch Charbourg, trinken einen Kaffee, beobachten Menschen.
Nein, so wichtig ist die Sprache vielleicht doch nicht. Es ist der Tonfall, sind Mimik und Gestik, die Geschichten erzählen. Ich liebe es, da zu sitzen und zuzuschauen. Und ganz nebenbei schnappe ich natürlich auch hin und wieder ein paar Worte Französisch auf.
Die Britischen Inseln können warten.
Alkohol und Nikotin
Es gibt mehr Menschen, die rauchen, als bei uns. Oder kommt mir das nur so vor?
In den Restaurants ist es verboten wie bei uns.
Die Männer und Frauen rauchen in den Straßen, in den Straßencafes. Gefühlt sind es alle.
Wir sitzen trotzdem draußen. Weil es da viel mehr zu sehen gibt.
Auch Alkohol soll mehr getrunken werden als bei uns, heißt es. In dem Zeitartikel, den ich heute Morgen gelesen habe, war die Rede davon, dass das Limit für die unbedenkliche Alkoholmenge pro Person und Tag nicht Europa-einheitlich gesetzt werden kann. Die Grenze ist in Frankreich höher und die Franzosen weigern sich strikt, auf das gleiche Limit wie alle anderen herunter zu gehen.
Passen wir uns also an. Es ist Urlaub. Vielleicht finden wir einen Fisch zum Abendbrot. Und Fisch muss schwimmen.