Der Moselsteig – Etappe 1: Perl – Palzem
„Punkt 9 Uhr hat die Frau von der Rezeption gesagt. Wenn wir später kommen, ist der Bäcker wieder weg.“ Josefine hatte Kaffee gekocht und Teewasser aufgesetzt. Minna saß unter ihrem Baum und beobachtete sie.
Warum erzählst du mir das?, fragte sie sich. Ob Josefine glaubte, Minna würde sich um die Brötchen kümmern? Erstens wusste sie nicht, wie spät es ist, hatte keine Ahnung, wann 9 Uhr war, aber sie war sicher: Sie hätte schon vor Stunden los gehen müssen, um rechtzeitig auf dem Parkplatz zu sein, auf dem der Bäcker den Campern hier Brötchen verkaufte. Doch auch wenn sie es zeitlich geschafft hätte – auch der Rest würde schwierig werden.
Frische Brötchen mobile
Und dann stand Tom plötzlich vor ihr. Mit frischen Brötchen. Der Bäcker war schon etwas früher gekommen und so hatte Tom gleich an dem mobilen Bäcker halt gemacht, als er vom Duschen kam.
„Mmh … Das duftet aber schön nach Kaffee bei dir.“ Er hielt die Nase in die Luft und schnupperte. Dann schob er die Nase in die Stelle zwischen Josefines Hals und ihrem Schlüsselbein.
„Hier riecht es aber auch schön …“, sagte er spielerisch und ließ seine Nase noch ein bisschen weiter wandern.
Ja, das kenn ich schon, dachte Minna und drehte sich um. Manchmal war sie durchaus diskret. Aber das kam eher selten vor.
24 km von Perl nach Palchem
„Mein Zug geht um 9.35 Uhr“, sagte Tom zwischen zwei Brötchen. Die erste Moselsteigetappe ging von Perl nach Palchem und war 24 km lang. Nenning gehörte zwar zu Perl, doch der Startpunkt für den Moselsteig war noch gut 6 km entfernt. Und da musste Tom nun erstmal hin.
Er hatte gepackt. Der Wanderstock stand bereit, der Rucksack, der Wassersack war gefüllt.
„Viel Spaß“, ein letzter Kuss und dann war Josefine alleine.
Fast alleine. Bis eben auf Minna und die übrigen Camper auf dem Platz. Aber so viele waren es nicht.
Mit dem Rad Richtung Saar
Josefine machte sich fertig, räumte weg, was weggeräumt werden musste und setzte sich aufs Rad. Sie wollte zur Saar. Auf der Karte schien es nicht weit weg zu sein.
Sie nahm den Radweg, fuhr am Bahnhof vorbei. Der Weg führte auf einer ziemlich breiten Straße in Serpentinen bergauf, der Radweg am linken Fahrbahnrand.
Autos auf dem Radweg
„Mistkerl …“, fluchte Josefine und stieg vom Rad. Zum zweiten Mal war ihr in einer Linkskurve ein Auto von vorne auf dem Radweg entgegen gekommen.
„So macht das hier keinen Spaß“, bruddelte sie. „Und überhaupt – so was soll ein Radweg sein?“ Sie sah sich um, sah, wie ein Auto nach rechts abbog in Richtung irgendeines Denkmals im Wald und fuhr hinterher.
Schon besser, dachte sie. Dann eben nicht die Saar. Die Mosel war schließlich auch sehr schön.
Der Weg führte nach Perl. Ein hübsches altes Städtchen. Der Bahnhof war auch alt und lag direkt an der Mosel. Hier war Tom also morgens los gegangen, stellte Josefine fest. Sie fuhr den ganzen Moselweg zurück. Überall am Ufer und auf kleinen Inselchen im Fluss saßen Enten. Manche brüteten.
Hier gibt es mehr öffentliche Klohäuschen als bei uns, stellte Josefine fest, als sie schon wieder ein Schild mit Männlein und Weiblein an einer Holzhütte entdeckt hatte.
Alles grünt und blüht – der Wein hat Knospen
„Was für eine wunderschöne Gegend“, schwärmte Tom, als er abends mit Josefine im Restaurant des Campingplatzes saß. „Überall blüht und grünt es. Der Raps bekommt die ersten Blüten und auch der Wein hat schon ein paar Knospen.“ Seine Augen strahlten. „Und dann die Aussicht! Schade, dass du nicht dabei warst“, bedauerte er.
Um Himmels Willen, dachte Josefine. Sie war froh, dass sie mit dem Rad hier unten am Fluss bleiben konnte. Toms Tempo war nichts für sie. Tom wollte sich auspowern, Josefine genießen. Das passte nicht.
„Ich finde es hier unten auch sehr schön.“ Sie hielt inne und blickte übers Wasser. „Schau dich doch mal um.“
Die Nacht war sternenklar. Der Mond war fast voll. Auf der Luxembourger Seite der Mosel waren inzwischen die Lichter angegangen und spiegelten sich im Wasser.
„Ja, du hast Recht“, seufzte Tom. „Was für ein schöner Abend.“