„Meine Eier sind bunt“, sagte der Hase, setzte sich in den Hühnerhof und wackelte mit seinem Stummelschwänzchen. Er schnuffelte etwas in die Runde und dabei zitterten seine Schnurrhaare ein bisschen.

Hedwig Huhn plusterte ihre Federn auf und scharrte im Gras. Sie hatte ein paar Körner gefunden und interessierte sich kein bisschen für bunte Haseneier.

„Na und?“, gackerte Gertrud, „wenn ich lange genug auf meinem Ei sitze, kann es sein, dass irgendwann ein Küken an die Schale klopft, weil es raus will.“ Sie reckte den Hals und es sah ein kleines bisschen überheblich aus. „Wenn du dich auf deine bunten Eier setzt, werden sie matschig, weich und klebrig. Dann will sie niemand mehr, weil sie einfach unappetitlich aussehen.“ Gertrud gluckst, schüttelte ihr Federkleid, zupfte hier ein bisschen mit dem Schnabel und da, drehte sich um und stolzierte von dannen. „Bunte Eier“, gickelte sie, „dass ich nicht lache. Schokoladeneier. Die sind nicht echt. Das sind doch keine Eier.“

„Bunte Eier – pah!“

„Der Hase soll weg“, beschwerte sich Änne, die Henne, bei ihrer Freundin Pfanni. „Der braucht gar nicht zu denken, dass wir ihm ein paar von unseren Körnern abgeben. „Bunte Eier – pah!“ Änne scharrte und es sah so aus, als scharrte sie alle Körner zusammen auf einen Haufen. Änne scharrte und scharrte. Als alle Körner auf einem Haufen lagen, scharrte sie weiter. Sie scharrte Sand, Lehm, Steinchen, Gras. Bald waren die Körner nicht mehr zu sehen.

„Alle Vögel sind schon da“

Im Holunderbusch saß Anna, die Amsel und war mit ihrem dunklen glänzenden Federkleid beschäftigt. Dabei trällerte sie vor sich hin. „Alle Vögel sind schon da“, war ihr Lieblingslied. Wenn die Hühner dann mitsangen, fand sie das normalerweise gar nicht witzig. Die konnten einfach nicht singen, war sie überzeugt. Ihre eigene Stimme, ihren Gesang dagegen fand sie selber einfach wunderbar. Wenn die Hühner da mithalten wollten, müssten sie noch ziemlich lange üben.

„Unsere Körner kriegst du nicht“

Heute sang keine einzige Henne mit. Nicht einmal Hans Hahn krächzte sein Kikeriki dazwischen wie sonst. Anna hörte auf zu tirilieren und lugte zwischen den Blättern des Astes, auf dem sie saß in den Hühnerhof. Das Bild, das sich ihr bot, war anders als sonst. Ein bisschen chaotisch, fand sie. In der Mitte, da wo Hans sonst saß, hockte ein Hase und mümmelte eine Möhre. „Unsere Körner kriegst du nicht“, gackerten die Hühner aufgeregt durcheinander. „Und unsere Eier auch nicht.“ – „Und überhaupt …“ – „Wir wollen keine bunten Eier.“ – „Aus Schokoladeneiern wirst du niemals kleine Hasen ausbrüten können.“ „Guck doch, der hat nicht nur Schokoladeneier. Der hat auch richtige bunte Eier.“

„Der kann doch gar keine Eier legen“

„Lass“ ihn doch“, versuchte Hahn Hans zu schlichten. „Der kann doch überhaupt gar keine Eier legen. Und unsere Körner kann er auch nicht picken, guck!“ Hans zeigte auf des Hasens Schnäuzchen, das bestenfalls für Möhren und Gräser taugte, aber niemals geeignet war, damit irgend etwas aufzupicken. „Und guckt euch mal die Füße an“, versuchte er seine Hühner zu überzeugen, „glaubt ihr im Ernst, dass der damit nach Körnern scharren kann?“

„Der nimmt uns unsere Eier weg!“

„Aber er nimmt uns unsere Eier weg“, sagte Kerstin Küken, die gerade das erste Ei ihres Lebens gelegt hatte. „Ja und dann will niemand unsere Eier mehr. Weil der nämlich bunte hat“, gackerte Lene dazwischen.

Anna Amsel schnappte nur Satzfetzen auf. Den Hasen störte das Gezeter anscheinend nicht. Ruhig saß er mitten auf dem Misthaufen und knabberte an seiner Karotte.

Was sie hörte, war die Sache mit den bunten Eiern.

Frau Amsel hat blaue Eier

„Hee, was ist denn da bei euch los?“, fragte Frau Amsel. Sie flog über den Hühnerhof.

„Der Hase nimmt uns unsere Eier weg. Und dann macht er sie bunt. Und dann will niemand mehr unsere Eier haben. Der Hase soll weg.“
„So ein Unsinn“, fand die Amsel, „meine Eier sind doch auch bunt. Meistens blau, manchmal grün. Und sie haben ein hübsches Muster. Die bräuchte er also nicht mal anzumalen, wenn er bunte Eier will. Aber ich hab noch nie erlebt, dass ein Hase meine Eier wollte. Na ja, vermutlich bin ich einfach klüger als ihr. Ich hab mein Nest oben im Holunderbusch. Da kommt so schnell kein Hase hin.“

„Alle Vögel sind schon da …“ trällterte sie, schüttelte den Kopf und flog zurück in ihr Nest.

„Mensch, halt doch mal still“

Der Kater hieß eigentlich Tom. Aber er war überzeugt davon, dass sein Name „Mensch“ sei. Seit er lebte, nannte man ihn so: „Mensch, geh doch bitte mit der Nase aus der Butter.“ Oder „Mensch, musst du immer auf der mittleren Treppenstufe liegen. Ich wär schon wieder beinahe über dich gestolpert.“ Oder einfach „Mensch, halt doch mal still“, wenn Tom oder Tim, die beiden Buben, ihn mit der Katzenbürste traktierten oder eine Zecke entfernen wollten.

Der Kater hatte geschlafen

Mensch Kater hatte auf dem Hof gelegen und geschlafen. Der Lärm im Hühnergehege hatte ihn geweckt. Er öffnete ein Auge und guckte zu dem Federvieh. Irgendwie fand er die schon komisch. Sie hatten Flügel und ließen sich durch so einen lächerlichen Zaun von der Freiheit abhalten. Mensch Kater hatte keine und kam da trotzdem rüber.

Kater guckte und sah: Hase … . Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Außer ein paar Brekkies hatte er heute noch nichts Richtiges gegessen. Und schon gar nichts gefangen. Und selbst wenn man satt ist: Man MUSS einfach gelegentlich auf die Jagd gehen. Schon allein des Trainings wegen. Sonst gibt es eines Tages keine Brekkies mehr und er hätte es womöglich das Jagen verlernt. Und dann müsste er verhungern. Nicht auszudenken.

Wer gibt, gewinnt.

Mit einem Satz war Mensch Kater im Hühnerhof. Noch bevor Katerle richtig gucken konnte, war der Hase verschwunden. Mitsamt seiner Möhre. Die Hühnerschar war jetzt richtig aufgescheucht. Sie gackerten aufgeregt, rannten durcheinander, versuchten zu entkommen. Frau Hausmaus saß im Hühnerfutter. „Ein Festmahl“, freute sie sich. Danke, dass du das Federvieh beschäftigst. Ich sitze hier und niemand nimmt Notiz von mir“, Mäuslein setzte sich auf die Hinterpfoten und putzte sich das Schnäuzchen.“

„Komm, Kater“, grinste die Maus. „Lass sie in Ruhe. Denk an dein letztes Abenteuer mit Vögeln. Die fusseln so“, erinnerte sie ihn. „Sollen sie doch auf ihren Eiern hocken bleiben. Wir gehen jetzt Brekkies essen“, entschied das Mäuslein. „Wer gibt, gewinnt.“

Und Mäuslein nahm Katerle an die Hand und gemeinsam gingen sie nach Hause in die Küche zum Futternapf…