Ich war es und werde es immer sein: Der arme Poet
Es gibt verschiedene Menschen.
Einer davon bin ich.
Ja, es heißt „der“ Mensch. Ich bin Frau. Der Mensch „Frau“. Also der „Frau“.
Ich kann lesen und schreiben. Und ich bin neugierig.
Und ich habe weder Zeit noch Geld.
Ich denke an den armen Poeten von Spitzweg.
Mein mich liebender Ehemann behauptet immer, wenn es ihn nicht gäbe, würde ich eines Tages genau so enden: Die Löcher im Dach würden nicht gestopft, die Heizung wäre längst ausgefallen und im Bett bräuchte ich Kerze und Regenschirm, wenn ich lesen oder schreiben wollte, weil das Haus langsam in sich zusammenfiele.
Ich wäre vermutlich schlank.
Das Netzwerk
In einem Netzwerk, in dem die Menschen zusammen kommen, weil sie sich gegenseitig unterstützen, um Dinge und Dienstleistungen zu verkaufen, bin ich vermutlich fehl am Platz.
Die Vieraugengespräche, die hier als wichtiges Werkzeug gelten, um Vertrauen zu schaffen, sind gefährlich für mich.
Ich höre zu, frage nach, verstehe. Bin neugierig. Und am Ende finde ich alles so spannend und überzeugend, dass ich es gern selbst ausprobieren möchte.
Ich übersehe dabei völlig, dass dies nicht meine Freunde sind, die es einfach nur gut mit mir meinen, sondern dass hier Geschäftsleute sind, die ihre Dinge an den Mann, oder in diesem Fall den Mensch „Frau“ bringen möchten. Weil sie davon leben, sich ihre Wünsche und Träume erfüllen möchten. Reich und erfolgreich werden. Und vielleicht auch ein bisschen berühmt.
Verständliche Motive.
Berühmt auf dem Bild eines Spitzwegnachfolgers
Und dann bin da eben auch noch ich. Der Mensch „Frau“.
Ich werde nicht reich und berühmt. Vielleicht nach meinem Tod auf dem Bild eines Spitzwegnachfolgers.
„Wer schreibt, der bleibt“, hat mein Vater früher immer gesagt.
Ja, wo bleibt er denn?
Auf der Strecke?
„Mama, du arbeitest ja gar nicht. Es macht dir ja Spaß, was du tust“. Das sagte mein Sohn, als er zehn Jahre alt war. Nein, ich arbeite nicht, ich schreibe bloß. Und das macht mir Spaß.
Ich arbeite nicht, ich schreibe bloß
Wenn Arbeit bedeutet, dass man dafür eine finanzielle Gegenleistung erhält, hat mein Sohn auch heute noch Recht. Über das, was ich damals als Freie Journalistin verdient habe, hat mein mich liebender Ehemann, der Unternehmer, die Hände über den Kopf zusammen geschlagen. Für 100 geschriebene Zeilen gab es damals rund 50 Euro. Wenn ich ein Foto dazu verkauft habe, waren es noch mal 25 Euro mehr. Das sind 75 Euro für Recherche, Vor-Ort-Termin, Schreiben, Redigieren, Formatieren, Bilder sichten, auswählen, nötigenfalls noch bearbeiten. Macht zusammen locker sechs bis acht Stunden Aufwand.
Der von der Regierung beschlossene Mindestlohn ist höher.
Aber ich arbeite ja nicht, ich schreibe bloß.
Der Verlag
Ich schreibe immer noch.
Ich kann gar nicht anders.
Die Gedanken in meinem Kopf müssen raus.
Wenn ich sie aufs Papier gebracht habe, geht’s mir besser.
Für den Nepal-Reisebericht „Nepal – die Reise: Göttliche Gastfreundschaft und Gebetsmühlen für den Weltfrieden“ fehlt nur noch das Layout, „Minna“ braucht noch etwa vier Kapitel und eine letzte Überarbeitung, die „Familiengeschichten in Schwarzweiß und Farbe“(Arbeitstitel) ist im Recherchestadium.
Und was mach ich dann damit?
In die Schublade legen und etwas Neues schreiben?
Ich bin sicher, dass eine Menge Leute diese Bücher gerne lesen würden. Aber kann ich es mir leisten, sie anderen zugänglich zu machen?
Lektorat, Layouter und Grafiker
Ich brauche Lektor und Korrektorat, Layouter und einen Grafiker, der die Umschlagseite gestaltet. Das sagen zumindest diejenigen, die an meiner Arbeit verdienen möchten.
Weil es sonst nicht professionell ist.
Das mag stimmen. Aber es kostet Geld. Geld, das ich nicht habe.
Ich denke über das Nepal-Buch nach. Es ist so gut wie fertig. Zumindest meine Arbeit, die des Schriftstellers, des Autors, ist getan.
Es hat rund 10.000 Wörter, etwa 50.000 Zeichen. Lektorat und Korrektorat würden damit etwa 350 Euro kosten. Für Grafik und Layout kämen nochmal 400 Euro dazu. Das sind schon mal Kosten von 750 Euro.
Wieviele Bücher muss ich verkaufen, um die Kosten zu decken?
Wieviele Bücher müsste ich verkaufen, um die Kosten wieder hereinzubekommen?
Eine Möglichkeit ist Selfpublishing. Das kostet nichts. Selfpublishing-Plattformen wie Epubli und Amazon verdienen an jedem verkauften Buch mit. Den Verkaufspreis kann ich selbst festlegen. Doch das ist schwierig.
Wenn ich die Preise zugrunde lege, die ich gewöhnlich für Bücher ausgebe, verdiene ich pro Buch etwa einen Euro. Ich müsste also 750 Bücher verkaufen, um die Kosten aufzufangen. Und eigentlich hatte ich mir vorgestellt, mindestens einen Euro pro verkauftem Buch an den Nepali-Rotznäschen-Verein weiterzugeben.
Vielleicht finde ich Layouter und Lektor, die bereit wären, zu den gleichen Konditionen für mich zu arbeiten? In Vorleistung gehen und dann an jedem Buch mitverdienen?
Jeder einen Euro?
Je nach Format berechnen Epubli und Amazon zwischen 18 und 35 Euro pro verkauftes Buch. Der Preis ist deshalb so hoch, weil es viele Bilder hat und in Farbe gedruckt werden muss. Was ist schließlich ein Reisebericht ohne Fotos!
Drucken lassen
Lass es, sagt der Druckoptimierer in meinem Unternehmernetzwerk. Das machen wir selbst. Book on Demand kann ich auch. Und es wird billiger, wenn Amazon nicht daran mitverdienen muss.
Wir gründen einen Verlag. Wir holen uns noch einen Buchhändler mit ins Boot. Der hat auch Verlagserfahrung.
Ich hab es auch gleich eingesehen. Und am Ende werden wir alle drei reich und berühmt.
Aber erst am Ende.
Jetzt sollte es erstmal Geld kosten.
„Wir drucken erstmal eine Auflage von 50 Stück. Zehn Bücher wirst du vermutlich im Bekannten- und Familienkreis verschenken. 40 verkaufen wir leicht.“ Sagt der Druckoptimierer.
51 Euro pro Buch?
Ich bekam ein Angebot. Und ein Vergleichsangebot hat der Mann auch gleich eingeholt. Bei der Druckerei meines Vertrauens. Die Preise pro Buch lagen zwischen 15 und 32 Euro. Netto. Und damit also in etwa gleich wie Amazon und Epubli. Der Vorteil: Mit Sicherheit sind die so gedruckten Bücher schöner. Qualitativ hochwertiger. Weil ich ordentlich beraten wurde, was Papierqualität, Format und Ausführung angeht. Ich alles vorab anfassen durfte. Individuell statt von der Stange. Mit Sicherheit rechtfertigt das einen höheren Preis, den ich dann pro Buch verlangen kann.
Rund 1800 Euro also für den Druck. 750 Euro für Lektorat und Layouter. Damit kostet ein Buch 51 Euro. Ohne, dass ich einen Cent daran verdient habe, nur die Kosten decke. Netto. Brutto also etwa 60 Euro. Zuzüglich Rotznäschen-Spende und Verdienst 70 Euro.
Und wenn es niemand kauft, hab ich 50 Bücher zu verschenken.
Und so bleibe ich, was ich immer war: Spitzwegs armer Poet.